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Die Fußball Europameisterschaft 1972


Da ich mir von Anfang an vorgenommen habe, alles, was ich schreibe nur aus der Erinnerung zu tun, so werde ich diesem Vorsatz auch bei diesem Text treu bleiben. Damit stelle ich die Behauptung auf, dass mir schon das im Gedächtnis geblieben ist,  was Erinnerungswert hat. Und die Europameisterschaften waren zu jener Zeit nicht von vergleichbarer Bedeutung mit den Weltmeisterschaften. Selbst wenn diese Aussage bis heute gilt, so ist doch heute ein viel größerer Fokus auf das Endturnier gelegt und man darf dieses auch getrost als „Großereignis“ einstufen. Dass es im Jahre 1972 auf keinen Fall so sein konnte, lag unter anderem am Austragungsmodus. Die EM 1968 habe ich gar nicht mehr in Erinnerung – zugegeben sicher dem Umstand geschuldet, dass Deutschland keine Rolle gespielt hat --, von der 72er muss man sich einfach an ein besonderes Ereignis erinnern.


Es muss an einem Samstagabend gewesen sein, denn ich war nicht nur bei Freunden zur Übernachtung untergebracht sondern erinnere mich auch sehr genau daran, dass ich am nächsten Morgen selber zu einem Spiel ins Stadion Lichterfelde musste. Es stand an jenem Abend mal wieder das so bedeutungsvolle Spiel England – Deutschland an. Und das auch noch im altehrwürdigen Wembley-Stadion, wo Deutschland 6 Jahre zuvor das Finale trotz heldenhafter Gegenwehr durch das berühmte Wembley-Tor in der Verlängerung verloren hatte. Die Revanche für ´66 war dann in Mexiko gelungen, als die Deutschen einen 0:2 Rückstand noch drehen konnten und ebenfalls nach Verlängerung ins Halbfinale einzogen. Das Spiel von jenem Abend im Jahre ´72 aber stand doch unter anderen Vorzeichen. Die Welt schaute nicht komplett auf dieses Spiel, auf dieses Stadion. Es war ein echtes Heimspiel. Und an dieser Stelle lässt es sich doch ganz gut mal über diesen gefühlten und auch irgendwie anerkannten Vorteil ein wenig nachdenken:


Mich hat  der so genannte Heimvorteil nicht nur von klein auf beschäftigt sondern ich habe ihn später als messbaren Parameter in mein Fußball Programm zur Berechnung der Spiele aufgenommen. Bei großen Turnieren ist er kleiner, da die Welt darauf schaut und wohl entweder zu viele neutrale Zuschauer im Stadion sind oder auch der Schiri angesichts der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit nicht so „parteiisch“ pfeifen kann, selbst wenn nach meiner Theorie oftmals ungewollt, nur von den pfeifenden oder grölenden  Massen beeinflusst. Früher geschah es doch viel häufiger, gerade bei kleineren Spielen im Europapokal, die gar nicht erst von Fernsehbildern erfasst wurden, dass mal hier oder da eine Abseitsposition großzügig übersehen wurde, sofern die Heimmannschaft im Angriff war und auf der anderen Seite etwas kleinlich zurückgepfiffen wurde, wenn es sich möglicherweise nicht um Abseits handelte. Genauso bei der Auslegung der Foulsituationen im Strafraum. Hier Elfmeter, dort nicht. 

Selbst auf diese Phänomene gibt meine Datenbank Auskunft: Der Heimvorteil war wirklich größer in jenen früheren Jahren. Sogar ein 0:2 wurde im Hinspiel nicht mal als sehr schlechtes Ergebnis erachtet. „Das kann man noch drehen.“ Heute wäre schon ein 1:0 mehr wert als damals ein 2:0 oder 3:1. Heute müsste man den Heimvorteil also den gewöhnlichen Größen wie „hier kenne ich mich aus, hier bin ICH zu Hause“, „das ist mein Territorium, was es zu verteidigen gilt“ oder auch „die hatten eine lange Anfahrt“ oder einfach nur „wir müssen die Zuschauer hinter uns bringen, die peitschen uns nach vorne“ zuschreiben.


Dass dennoch der Ausrichter, damals von mir erkannt, immer die Vorrunde überstehen würde konnte ich in der Partie Belgien – Mexiko erstmals live erleben. Den Mexikanern wurde ein Elfmeter zugesprochen in einer Szene, als der Angreifer bei dem angeblichen Foul ca. einen Meter vom Gegenspieler entfernt war und dennoch ohne jegliche Berührung theatralisch stürzte. Es musste ein Sieg her. Und er gelang auf diese Art. Elfmeter und 1:0 für Mexiko. Die Szene kann ich seitdem nicht aus meinem Gedächtnis streichen, weil sich damals schon der Gerechtigkeitssinn in den Vordergrund drängte und mir so etwas die Freude an dem ganzen Turnier verderben konnte. Mein Vater beruhigte mich damit, dass es doch nur um den Ausrichter ginge. Aber ungerecht bleibt ungerecht. Diese Theorie, dass der Gastgeber immer weiter kommt,  bewahrheitete sich übrigens  bis zu den großen Turnieren, die von zwei Nationen ausgetragen wurden. Dort schied einmal Belgien aus, später einmal Japan und danach noch Österreich bei einer EM, die allesamt  nur Co-Ausrichter waren.


Ich war also bei Freunden der Familie. Und ich konnte dieses Spiel live verfolgen. Einmal ohne meinen Vater zu schauen war schon ungewöhnlich. Sehr viel meines (zweifelhaften) Fußballverstandes habe ich von ihm ererbt, angeeignet. Es wurde intensiv geschaut und intensiv analysiert. Im Alter von 13 Jahren ist man dann als Fußballverrückter schon in der Lage, selber Einschätzungen abzugeben, sich sein eigenes Bild zu machen. Wir hatten unsere Diskussionen und – mein Vater hatte Recht. So war es halt. Aber ich dachte mit.


Unfassbar also für mich, dass sowohl die Gasteltern als auch deren verglichen mit mir etwas jüngeren Kinder nicht in der erwarteten Form am Geschehen teilnahmen. Mag sein, dass sie geschaut haben. Aber andere Dinge hatten Vorrang. Gespräche über das Tagesgeschehen oder das zeitgleich angefertigte Abendbrot gingen meinen Gastgebern vor. Das war doch nicht möglich? Nicht nur, dass heute Fußball war. Da hat man keinen Hunger und da interessiert sowieso nichts anderes. Aber das Spiel, dieses Spiel, das musste doch einfach jeder schauen. Von den Vorberichten bis zu den „Leichenreden“ (Originalton Vater Edzard Paulsen).


Ich war also auch mit den Analysen auf mich und meine Gedanken angewiesen. Was ich sah, hat mich aber jedenfalls sehr beeindruckt. Und ist auch bis heute als „eines der großen Spiele der Deutschen Mannschaft“ in die Länderspielgeschichte eingegangen. Eines der großen Spiele des Günter Netzer, dessen Nationalelfkarriere bei Weitem nicht seinen überragenden Fähigkeiten entsprach, die er in den 36 teilweise schwächeren Auftritten im Trikot der deutschen Elf ablieferte. Und Günter Netzer war  tatsächlich mein Idol. Nicht nur hatte ich in einem frühen Fußballbuch seine überragende Technik bei Schüssen versucht zu erlernen und nachzuahmen, auch seine wehende Mähne hatte es mir in jenen Jahren angetan und zur Nachahmung aufgefordert. Dass mir später eher eine Ähnlichkeit mit Ewald Lienen angedichtet wurde, konnte ich dann aber auch gerade noch verkraften...


Die Deutschen gewannen mit 3:1, „Kleines dickes Müller“ traf vorne, Günter Netzer durfte in Abwesenheit seines auf der Position gerade im Nationaltrikot einfach dauerhaft besseren Wolfgang Overath, insgesamt 81 Länderspiele, alleine Regie führen und Katsche Schwarzenbeck räumte gewohnt zuverlässig hinten auf. Das ganz Besondere an diesem Spiel war aber wieder mal meine eigene Geschichte. Und die ist noch nicht vollständig erzählt. 


Denn: Ich hatte ein Ticket für das Rückspiel im Berliner Olympiastadion. Nur eines von zwei Länderspielen der Deutschen, die ich jemals live im Stadion verfolgt habe. Außer, dass wir gelegentlich zu Schulzeiten Karten für die Jugendländerspiele Deutschland gegen England hatten. Mag sein, dass ich also nach dem Hinspiel mit größeren Erwartungen hinging ob der überragenden Qualität der deutschen Mannschaft, mag aber auch sein, dass mir bereits klar war, dass ein 3:1 Sieg im Auswärtsspiel ziemlich sicher die Fahrkarte in die nächste Runde bedeutete und man kein besonderes Spiel erwarten konnte. England hätte drei Tore erzielen müssen, um weiter zu kommen. Und das war doch nicht denkbar?


Die Erinnerungen sind jedenfalls ziemlich trübe. Kein Glanz, kein Gloria, kein Tor. Ein 0:0. Eine echte Enttäuschung. Ein grausames Spiel. Ich weiß auch nicht genau warum ich mich eigentlich so besonders gut an eine einzige Szene in dem Spiel erinnern kann: Ein Torschuss von Siggi Held, der in etwa 20 Meter über das Tor ging. Die beste Torgelegenheit?


Die „Endrunde“ wurde dann mit vier Mannschaften in Belgien ausgetragen. Deutschland gewann das Halbfinale mit 2:1 gegen Belgien und das Finale mit 3:0 gegen die Sowjetunion. Alles irgendwie selbstverständlich. Die Mannschaft war gut, keine Frage. Man gewöhnte sich an die Siege. Aber besonderen Erinnerungswert haben diese Spiele nicht für mich gehabt.



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